Schon lange, viel zu lange, sehne ich mich nach einer
Auszeit. Ich muss raus: raus aus dem Büro, raus aus dem tristen Alltagstrott,
raus aus meiner bequem eingerichteten Komfortzone. Da ist eine tiefe Sehnsucht
in meinem Herzen, die mehr und mehr wächst, doch ich kann sie nicht greifen,
nicht identifizieren, nicht erfassen. Sie ist da, sie beschäftigt mich und
manchmal, manchmal quält sie mich auch. Mich zermürbt, dass ich nicht sagen
kann, was genau ich eigentlich suche.
Eine Weltreise? Nein, denn viele Teile der Welt
interessieren mich gar nicht. Work and Travel? Klingt recht nett, aber so
richtig motiviert bin ich auch nicht. Es fühlt sich nicht an, als könnte es
diese Lücke schließen, dieses Loch stopfen, was immer mehr aufreißt. Fest
steht: Ich möchte weg, etwas Anderes machen, etwas ganz Neues kennen lernen,
mich weiter entwickeln, mehr erfahren von Dingen, von denen ich bislang keine
Ahnung habe – und: ich möchte unbedingt mit Tieren arbeiten, am liebsten mit
Hunden oder Pferden.
Ich suche lange ohne richtig zu finden, was ich suche.
Ich glaube, ich weiß gar nicht, wonach ich suche. Einiges klingt ja ganz nett, aber
es berührt mich nicht und der Elan ist nach wenigen Stunden verflogen. Ich weiß viel zu sehr, was ich nicht will,
statt was ich gerne möchte und es gibt Tage, da zerreißt es mich fast, weil ich
mich auch über mich selber Ärger. Die Welt ist voller Möglichkeiten. Warum tue
ich mich da so schwer?
Eines Tages begebe ich mich auf die Suche nach einer
Huskyfarm bei der wir eine Tagestour mit Schlittenhunden in unserem Urlaub
buchen können. Wir wollen uns einen Traum erfüllen und haben drei Wochen eine
Blockhütte in Finnisch Lappland gebucht. Ich finde keine Farm und den Urlaub
müssen wir einige Wochen später wegen Krankheit absagen, aber ich finde etwas
anderes: einen Bericht in einem Internetforum von einer freiwilligen Helferin auf
einer Huskyfarm. Ich verschlinge diese
Zeilen und tief in meinem Inneren regt sich wieder diese Sehnsucht. Ich
spüre von einem Moment auf den anderen, dass ich gefunden habe, was ich so
lange suchte. Noch am selben Abend erzähle ich meinen Eltern davon und bekam
„grünes Licht“ für die Versorgung von meinem Pony und meinen Katzen. Das Thema
ist ihnen auch nicht gerade neu. Vielleicht atmen sie innerlich sogar auf, weil
ich endlich einen Plan habe. Ich
verbringe die halbe Nacht damit, eine Internetplattform zu durchstöbern und Farmen
in Schweden und Finnland anzuschreiben. Das sind meine Favouritenländer. So
könnte ich gleich mehrere „Fliegen mit einer Klappe schlagen“: ich verbringe
Zeit an einem der für mich schönsten Orte, die ich kenne, ich bin draußen und
arbeite mit Hunden: Volltreffer!
Zwei Wochen später bekomme ich eine Antwort aus Finnisch
Lappland, dass dort Helfer gesucht werden und ich eine Bewerbung schicken
solle. Wieder wenige Wochen später hatte ich die Zusage – und dass, obwohl es
in diesem Internetforum hieß, dass man an solche Stellen unendlich schwer
herankommt. Ich boxe in meiner Firma den unbezahlten Urlaub durch, schließe
Verträge mit Krankenversicherung und Auslandskrankenversicherung und am 16.11. hat
das Warten denn endlich ein Ende.
Zu Hause lässt mir dieser Ort keine Ruhe. Ich habe das Gefühl, dass dieses Kapitel für mich noch längst nicht abgeschlossen ist. Ich sehne mich nach dem Norden, nach den Tieren und der Einfachheit des Lebens. Und so überrascht es niemanden wirklich, als ich meinen Job kündige und meiner Sehnsucht folge - natürlich nicht ohne Santano, meinen jetzt 17 Jahre alten Haflingerwallach, der mich schon die Hälfte meines
Lebens begleitet. Ich habe ihn als Fohlen bekommen und selbst ausgebildet.
Im September 2014 machen wir uns dann von
Schleswig-Holstein aus auf den Weg. Ziel: finnisch Lappland, ca. 200 km
nördlich des Polarkreises. Ich habe dort einen Job im Huskycamp als
Doghandler bekommen. Vorher ist noch
einiges zu organisieren, um Santano die lange Reise im Anhänger so angenehm wie
möglich zu gestalten. Ich plane die Strecke, lege die Tageskilometer fest und
buchte Übernachtungsquartiere in Schweden , sodass Santano die Nächte in der Box
oder im Paddock verbringen kann. Einen Tag vor Abreise kommt die Amtstierärztin
um das Pferd zu untersuchen und die Zollpapiere in dreifacher Ausführung
auszustellen: eines für Dänemark, eines für Schweden und eines für Finnland.
Die erste Nacht verbringen wir in Jönköping, die Zweite in Söderhamn und die
Dritte in Skelleftea. Nach 2.200 km erreichen wir unser Ziel ohne besondere
Zwischenfälle.
Das Camp liegt 20 km von Äkäslompolo entfernt mitten im
Nirgendwo. Rundherum sind nur Wälder, Seen und kleinere Berge. Neben den
Angestellten und über 500 Alaskan Huskies leben hier auch noch drei Katzen und
vier Isländer. Im Winter unternehmen hier Touristen Schlittenhundetouren in die
verschneite Einsamkeit der nordfinnischen Wälder. Die Tage sind kurz. Die Sonne
zieht sich für einige Wochen zurück. Die Temperaturen fallen im schlimmsten
Fall auf -40 Grad C. Im Sommer hingegen genießen wir die Mitternachtssonne, die
an schönen Tagen die ganze Nacht scheint und zum Reiten, Wandern, Grillen,
Schwimmen und Fahrradfahren einlädt.
Mein Job umfasst die Betreuung
der alten, kranken und jungen Hunde, die Grunderziehung der Welpen und die Durchführung
der Reittouren mit den Gästen: 2,5 Stunden auf einem Trail durch Wälder und
über Sümpfe – links und rechts meterhoher Tiefschnee…
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