Mittwoch, 29. März 2017

Türmchen-Erkenntnisse

Gestern auf dem Türmchen im Kindergarten.

Raija, Quince, Njara und ich genießen die Abendsonne. Raija sitzt vor mir und ich kraule gedankenverloren ihren Rücken. Orava und Pepsi spielen in ihrem Zwinger. Quilpie nagt an der Hütte. Quinoa versucht wieder die Tür zu öffnen.

Und so sitze ich dort, auf dem Kindergartentürmchen, umgeben von meiner täglichen Arbeit, umgeben von meiner täglichen Freude, umgeben von meinem täglichen Wahnsinn oder Stolz (variiert von Tag zu Tag ^^). Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Raija kneift die Augen zusammen und fordert mich mit einem empörten Blick auf weiter zu kraulen. Ich gehorche. Die kleine Quince rollt sich neben mir in der Sonne zusammen.

Ich ärgere mich, dass ich keinen Fotoapparat dabei habe oder mein neues Schmartphone - und wüsste gleichzeitig gar nicht, WAS GENAU ich fotografieren wollen würde. Ich möchte einafch diesen Moment festhalten. Ich möchte etwas haben, was mich an diesen Moment erinnert. Es ist mein intensivster, friedlichster Türmchen-Moment seit langem. Und doch weiß ich, wenn ich jetzt aufstünde und meine Kamera holen würde, wäre der Moment vergangen. Also bleibe ich sitzen, sauge alles in mich auf, kraule weiter Raijas Rücken und halte diesen kostbaren Moment sanft in meinem Gedächtnis fest. Er ist zu schade, um sich zu ärgern und er ist zu umfassend, um ihn in einem simplen Foto einzufangen.

Das Camp ist menschenleer. Ich sitze inmitten der verschneiten Einsamkeit auf dem Türmchen an meinem Lieblingsort und denke, dass nächstes Jahr zu dieser Zeit vielleicht jemand Anderes hier sitzt und seinen Gedanken nachhängt, vielleicht trägt er sich mit ähnlichen Gedanken herum. Hoffentlich krault dieser Jemand der süßen Raija ihren haarigen Rücken. Sie hat es verdient. Es werden dann andere Welpen im Zwinger spielen. Es wird ein anderer kleiner Bieber an der Hütte nagen. Und ein anderer Ausbruchskünstler wird versuchen "das Schloss zu knacken". Es wird eine andere Saison sein, ein anderer Winter, andere Leuten, andere Eindrücke, andere Momente. Ich werde ein anderes Leben führen als dieses jenes hier.

...und dann stimmt irgendwo am anderen Ende des Campes ein einsamer Hund sein Klagelied an, ein Anderer schließt sich dem Geheule an. Orava und Pepsi unterbrechen ihr Spiel und spitzen die Ohren. Quilpie hört auf zu Nagen und schaut in die Ferne. Quinoa stellt frustriert fest, dass der Karabiner sie auch heute daran hindert, die Tür zu öffnen und trottet zur Hütte. Raija steht auf, sie schüttelt sich und läuft davon. Der Moment ist vorbei. Ein Anderer wird kommen...

Donnerstag, 23. März 2017

Checkliste: Dinge, die ich bis dahin noch machen möchte

Meinen Lieblingstrail fahren: \/ CHECK!

Ich habe Besuch aus der Heimat: Jan und Melly sind da und wir waren heute mit den Hunden draußen auf einer schönen 20 km Runde:

Auf dem Sumpf

"Nebenbei" habe ich auch den ersten Punkt von meiner Liste mit den Dingen, die ich bis dahin noch machen möchte abge"vergnügt":

Gazelle, Ginger, Mylly, Momo, Loki und Esprite
auf meinem Lieblingsstück von Benkku Nord

Nach der Schlittentour, dem Aufräumen und einer ausgiebigen Campführung lassen wir den schönen Tag in Äkäsmylly im Café bei einem leckeren Stück Preiselbeer-Käsekuchen und einer Cola ausklingen - yummi ... und: nur kein Neid ^^

Mittwoch, 22. März 2017

Resümee auf dem Dach

Gestern war ich mit unserer Helferin Myri und Raffi auf dem Dach am Schneeschaufeln. Eigentlich mag ich Schnee schaufeln, aber gestern hatte ich keine Lust. Also schaufle ich ohne Lust müde vor mich hin. Das Dach ist unter einem Baum und der Schnee eher Eis und so richtig schön fest gefroren. In dem Moment kommt mir in den Sinn, dass ich die Stellen der Dächer, die unter Bäumen liegen, definitiv NICHT vermissen werde zu schaufeln. Und so beginnen meine sentimentalen fünf Minuten in Lappland irgendwo im nirgendwo auf dem Dach mit der Schneeschaufel in der Hand. Was werde ich noch nicht vermissen ... und was werde ich schmerzlich vermissen?!?

10 Dinge, die ich NICHT vermissen werde:
- die meisten Gäste
- das Wohnen in einer großen WG
- Mitbewohner, die nicht spülen können
- die Mücken und die unzähligen Fliegen im Sommer in der Futterküche
- den Anblick von DeeDee, der bis zum Bauch in der Scheißebox steht und sich am "Buffet" bedient
- kalte Hände und Füße
- die Rückenschmerzen nach dem Krallen schneiden
- das Herausfischen meiner Handschuhe aus der Fleischsuppe
- das Herausfischen der Kelle aus der Fleischsuppe
- den Geruch von verdorbenem Hundefutter

10 Dinge, die ich definitiv vermissen werde:
- die Hunde,
das Heulen der Hunde,
das Bellen der Hunde,
das Abschleckern der Hunde (nachdem sie Scheiße gefressen haben ^^),
die große Freude der Hunde,
die Rülpser der Hunde (nachdem sie Scheiße gefressen haben ^^),
das Pupsen der Hunde,
das Umrennen der Hunde
das Futterklauen der Hunde,
das niedeliche Kopfschräghalten vom Mürrischen, wenn er ein Leckerlie möchte,
das zärtliche Arm in den Mund nehmen des Dicksten,
das zum Türmchen-Zerren des Dicksten,
das Verteidigen der streichelnden Hand des Dicksten,
das Elsternjagen des Dicksten,
den Hundeyoga mit dem Dicksten,
den Opablick und das genüssliche SCHMATZ vom Heiligen,
die Stepptanzeinheiten des Zeusi Mäusis,
das zufriedene Grunzen des Cabby Captains beim Ohren kraulen,
das Anlehnen der kleinen Fjordi Mausi,
das Brummen von Mäggie,
die Therapiestunden mit Raija,
das niedliche kleine Gesicht der Ronja,
das Anspringen - ja, sogar das Anspringen der Hunde...
Soll ich weiter machen?

- diese vier bockigen, sturen, dickköpfigen Isländer, mit denen ich so schöne Stunden auf dem Pferdetrail verbracht habe:
Sprudelchen, der unzählige Male mit mir durchgehen wollte,
Blaerle Baerle, der immer eine gute Abkürzung nach Hause kennt,
Glofax, meinen Trailbreaker und Lieblingsguidepony,
Bliida, die kleine dicke Murmel mit dem Nähmaschinentrab

- einige zweibeinige Kollegen, allen voran die schmartphoneaddictete Schlittenhundeheilerin Suuusiii, die stolze Sternemökkibesitzerin Steeefi, den kleinen Drecksack, Simone, Andy "Frikadelle ans Ohr" und den Einen oder Anderen mehr

- meinen Job hier als Susis dritte und vierte Hand:
das Sozialisieren der Welpen,
die niedlichen Geräusche, wenn sie ihren Quark-Fleisch-Brei schmatzen,
die Futtererziehung der Wellpen,
das Namenstraining der Welpen,
das Halsbandtraining der Welpen,
die Welpen groß werden sehen,
die Pflege der kranken und alten Hunde,
das Sitzen auf dem Türmchen von allen Oldies umgeben,
das erste Mal die Sonne beim Dächer schaufeln sehen,
diesen verfluchten Schnee,
diese verfluchte Kälte,
Susi beim Verarzten kranker Hunde assistieren (die Hunde mit den "Schenkeln des Grauens" bekannt machen),
an meinen freien Tagen in der Praxis rumhängen (und - gib's zu - ihr ein Bisschen auf die Nerven gehen),
das Geräusch einer Gruppen... ähm Einzelnachricht,
den Klingelton des "pinken Wunders" (--> Camphandy)

- jede einzelne Wurst, die hier im Sommer ohne mich gegrillt wird

- das Reiten querfeldein, meinen Äkäsmyllyreit- und Springplatz

- den selbstgemachten Kartoffelsalat

- die "Hilfe zur Selbsthilfe", die "Sprünge ins kalte Wasser", das "Learning bei Doing"

- das Geräusch, wenn das verfluchte Skidoo nach endlosen Versuchen mit schmerzenden Armen ENDLICH anspringt und das gute Gefühl, weil ich es alleine geschafft habe

- diese kleinen, perfekten, intensiven Momente, in denen alles genau gut ist, wie es ist und ich es nicht anders haben will. In denen ich keine Fragen habe und keine Antworten brauche. Momente, in denen alles richtig ist ... Glücksmomente ... Momente im Einklang ... und dann sind sie schon vergangen. Und die Gewissheit, dass sie wieder kommen, diese kleinen, perfekten, intensiven Momente ... immer ... wieder...

10 Dinge, vor denen ich Angst habe
- Welchen Job werde ich in Deutschland machen (müssen)?
- Habe ich die richtige Entscheidung getroffen?
- Überschätze ich mich und/oder meine vierbeinigen Begleiter?
- Warum habe ich nicht mehr Angst?
- Und warum macht mir Angst, dass ich nicht mehr Angst habe?
- Werde ich irgendwann mal irgendwie irgendwo ankommen?
- Wenn ja, wann ist irgendwann, wie ist irgendwie und wo ist dieses irgendwo?
- Werde ich je finden, wonach ich suche?
- Und wenn ja, werde ich wissen, wenn ich es gefunden habe?
- Wonach suche ich eigentlich?

10 Dinge, auf die ich mich freue
- mein Wanderabenteuer
- das Leben mit Hund
- A-L-L-E-I-N-E wohnen
- Familie und Freunde wieder sehen
- im Sommer unter meiner Birke sitzen
- Möwengeschrei
- Strand, salzige Luft und Meer
- Reitunterricht
- Kleeblatttreffen
- mit dem Auto fahren können, ohne jemanden zu bitten/zu fragen

10 Dinge, die ich bis dahin noch machen will (Suuusiii, Punkt zwei!!! ^^)
- meinen Lieblingstrail: Benkku Nord/Süd mit dem Schlitten fahren
- einen freien Tag mit Susi verbringen
- noch einmal meinen Pacours springen
- Halsbandtraining mit den restlichen O's, P's und Q's
- eine Hüttenübernachtung mit Steeefi und Susi
- Würstchengrillen an einem unserer Lieblingsorte
- Qaanaaq beibringen, zumindest seinen Knochen zu tragen ^^
- jeden Tag einen Moment mit einem Hund auf dem Türmchen sitzen - egal welches Wetter
- mit Qaanaaq ein Stück Blaubeerkuchen in Äkäsmylly essen
- die Zeit hier genießen

10 Dinge, die ich bis dahin noch machen muss
- Verischerungen für Hund und Pferd abschließen
- Santano impfen lassen
- Santano beschlagen lassen
- eine schwedische SIM-Karte besorgen (lassen)
- alle Gegenstände wiegen und ein Inhaltsverzeichnis für die Packtaschen erstellen
- Probepacken
- letzte Sachen zusammen suchen
- Abmeldung in Finnland
- mein Gedankenkarussel immer wieder stoppen
- negative Gedanken enttarnen und durch positive ersetzen

10 Dinge, die ich auf der Wanderung machen will
- mit Santano durch den MC Drive
- einen Fremden um einen Gefallen bitten
- in der Mitternachtssonne wandern
- Susi ein Foto via What's App mit meinem Schmartphone schicken und einen erstaunten Schmiley von ihr zurück bekommen
- auf Santanos Rücken liegen und die Sterne anschauen
- spüren, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin
- mit Santano im See schwimmen
- etwas Verrücktes tun
- morgens das Zelt aufmachen und auf mein friedlich grasendes Pony blicken
- mich immer wieder überwinden

10 Dinge, die ich zu Hause machen will
-  Torges 30. Geburtstag feiern
- Antworten auf meine Fragen finden
- Hundehaare wegsaugen, viele, viele, lange Haare
- meine Erlebnisse aufschreiben
- Zeit mit Familie und Freunden verbringen
- einen Job suchen
- das Hamsterrad meiden
- auch mal NEIN sagen
- mit Qaanaaq unter der Birke liegen, die linke Hand hält das Buch, die rechte Hand ist im Fell vergraben
- mit Kolja die Piaffe erarbeiten

Dienstag, 7. März 2017

L-O-S-L-A-S-S-E-N...

...wer hat das Loslassen nur erfunden? Und was hat er sich dabei gedacht?

Wenn ich die Nordlichter am Himmel anschaue, denke ich, ich will nicht gehen. Ich möchte unter ihnen entlang galoppieren ... bis in die Ewigkeit.

Wenn ich meine Puppies im Kindergarten sehe, denke ich, ich will nicht gehen. Ich möchte mitbekommen, ob/wie jeder einzelne von ihnen ein Schlittenhund wird, wie sie herausfinden, wozu sie geboren wurden und diesen Job lieben lernen. Ich möchte voller stolz Susi mal auf ein Puppytraining begleiten, die Hunde hecheln und der Schnee knirscht unter den Kufen, während die Sonne gerade hinter den Bäumen zum Vorschein kommt und ihre Strahlen meine Nase kitzeln ... bis in die Ewigkeit.

Wenn ich mit dem Dicksten auf dem Türmchen sitze, denke ich, ich will nicht gehen. Der Dickste nimmt meinen Arm ins Maul und hält mich fest. Ich denke an diese Nacht zurück; diese Nacht auf dem Sumpf, in der die Welt den Atem anhielt und in der unsere Stirnlampen die Schneeflocken in glitzernde kleine Diamanten verwandelt und ich möchte in der Nacht verschwinden ... bis in die Ewigkeit.

Ich schaue Santano in die Augen und sehe nichts als Ahnungslosigkeit. "Weißt du eigentlich, was ich mit dir vor habe?" Ich bewundere ihn für sein Leben, dieses Leben "im Moment" ohne an Vergangenem festzuhalten und nach Zukünftigem zu greifen: Dinge einfach geschehen lassen; Zeiten einfach anbrechen und vergehen lassen. Orte einfach hinter sich lassen. Zufrieden sein mit dem Hier und Jetzt.  

Und dann komme ich ins Zimmer und sehe den Schweden-Kartenstapel, mit Bleistift die grobe Route eingezeichnet ... Ich betrete die Sattelkammer und stolpere fast über die Packtaschen, das Zelt, den Falteimer ... Ich halte meinen Kalender in den Händen und blättere auf "März" um. Zeit vergeht. Die Ewigkeit ist endlich.

"...und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen." (Meister Eckhart)